Photo: Funeral of my grandfather Erich Frütel, Essen, Germany, 1943, photographer unknown
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“The Operation Called Verstehen”

Dieses Coachingangebot wendet sich an Geschichtslehrer (und im deutschsprachigen Raum auch an Deutschlehrer), die nach Mitteln suchen, wie sie das Thema Nationalsozialismus in ihren Unterrichten so behandeln können, dass es das Bewusstsein ihrer Schüler dafür, dass auch sie selbst anfällig für Ideologien, Autoritarismus und Totalitarismus sind, erhöht.  

“Wissen Sie, worauf ihre Zeit hinausläuft? Sind Sie sicher, dass Ihre Jugendjahre nicht irgendwann Vorkriegsjahre, vielleicht gar “die letzten Tage der Menschheit” genannt werden? Können Sie ausschließen, einer Generation anzugehören, die hätte sehen können, wissen müssen, dass …? Historiker haben es leicht. Sie erklären im Nachhinein, warum alles so kommen musste, wie es gekommen ist. Da sie genau wissen, “worauf alles hinaus lief”, finden sie mühelos den richtigen Weg durch das Labyrinth einer vergangenen Zeit. Irrwege und verwachsene Pfade, in denen sich die Menschen einer Epoche mit ihren Sehnsüchten und Hoffnungen, Gewissheiten und Ängsten vertrauensvoll einrichteten, lassen sie links oder auch rechts liegen. Das ist keine Rechtfertigung, sondern eine Warnung.”
— Eva Sternheim Peters, Die Zeit der großen Täuschungen – Mädchenleben im Faschismus

In unserem schulischen Bildungssystem nimmt die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus immer noch den größten Raum in der Diskussion über Autoritarismus und Totalitarismus ein. Bücher wie „Das Tagebuch der Anne Frank“ oder „Die Welle“ sind gängige Lektüren, um die Schüler mit dem Thema vertraut zu machen. Der Informationsgehalt beider Bücher bleibt jedoch fragwürdig: Welches historische Wissen sollen die Schüler aus der Lektüre des „Tagebuchs der Anne Frank“ gewinnen? Dass es in der Nazizeit sympathische jüdische Mädchen gab? Wenn es wirklich notwendig wäre, dies zu vermitteln, würde die Lektüre eines Buches nicht ausreichen, und darüber hinaus liefert das Buch durch die Abgeschnittenheit der Ich-Erzählerin von der Umwelt in ihrem Versteck keine Beobachtungsdaten über relevante gesellschaftliche Prozesse, die zu einem Erkenntnisgewinn führen könnten. Die Welle“ liefert diese Daten ebenfalls nicht, denn sie stellt faschistische Verhaltensstrukturen künstlich und konstruiert in einen amerikanischen High-School-Kontext, wischt damit reale Lebenssituationen, die zum Nationalsozialismus geführt haben, vom Tisch und degradiert den Totalitarismus zu einer falschen und hohlen Erzählung über die Anfälligkeit der Menschen für faschistische Verhaltensästhetik.

Aber die entscheidende Frage wäre doch: Warum wurden Menschen wie du und ich zu Nazis? Darüber ist viel spekuliert und geschrieben worden. Und der amerikanische Soziologe Theodore Abel hat die Nazis einfach gefragt, indem er im Jahr 1933 in einer Nazizeitung einen Wettbewerb für biografische Aufsätze mit Geldpreisen ausgeschrieben hat. Die daraus resultierende Sammlung von hunderten von persönlichen Biogrammen früher Nazis, und das schonungslos ehrliche autobiografische Buch „Die Zeit der großen Täuschungen – Das Leben eines Mädchens im Faschismus“ der deutschen Psychologin Eva Sternheim-Peters sind meiner Meinung nach weitaus ergiebigere Unterrichtsmaterialien und ich biete Ihnen an, Ihnen in einer prozessbegleitenden Coaching-Reihe zu zeigen, wie Sie diese in Ihrem Unterricht effektiv, spielerisch und theatralisch einsetzen können, um den Schülern eine persönliche Begegnung mit totalitärem Denken und eine gute Portion Selbsterkenntnis über ihre eigene Anfälligkeit zu vermitteln. Theodore Abel selbst hat in seinem Aufsatz ‘The Operation Called ‘Verstehen” sehr deutlich gemacht, dass das ‘Verstehen’ der Handlungen eines anderen Menschen nicht als wissenschaftliches Mittel geeignet ist, um Erkenntnisse über den anderen Menschen zu gewinnen, da man den anderen nur in dem Maße verstehen kann, wie man sich selbst versteht. Der schauspielerische Ansatz, den ich Ihnen vorstelle, nutzt genau diese Tücke des ‘Verstehens’: Wir werden uns den Handlungen und Gedanken entfernter Menschen mit dem Ziel nähern, Wissen über uns selbst zu erlangen. Das Coaching kann online stattfinden und umfasst sowohl Projektvorbereitung als auch Prozessunterstützung.


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